Von Christoph Motog
Lippstadt - Ende März 1945 bereiteten sich der Lippstädter Volkssturm auf die Ankunft der Alliierten vor. Eine Kompanie bezog im Gasthof Röseler Quartier (der April-Blicker erzählte unter der Überschrift „Als uns blutigste Ostern drohten“). Nach Erscheinen des Beitrags sprach die Redaktion mit Franz-Josef Böhmer, der bei Kriegsende sechs Jahre alt war und täglich nach der Schule bei Röseler zu Mittag aß. Das hochbeliebte Lokal gehörte seiner Tante und seinem Onkel. Böhmer erinnert sich noch gut an die Tage nach dem Einmarsch der Amerikaner.
Polizisten gesucht
Als er einmal mit seinem Vater Josef zu Röseler ging, trafen die beiden dort auf einen Stammgast. Es war Noch-Bürgermeister Friedrich Fuhrmann, der nach seiner Kapitulationserklärung im Auftrag der Amerikaner unterwegs war. Er sollte Hilfspolizisten aus der Zivilbevölkerung rekrutieren. So wurde Franz-Josefs Vater zum Sheriff ernannt. Als Zeichen seiner Autorität erhielt er eine Ordnerbinde – und ein schwarzes Mercedes-Cabriolet.
Plünderungen
Ein Aufreger im April 1945 waren Plünderungen durch befreite ausländische Zwangsarbeiter. Viele hatten es vor allem auf Alkohol abgesehen, so auch jene Russen, die unweit des Waldschlösschens in Baracken untergebracht waren. Vater Böhmer, der während des Kriegs auf der Krim ein paar Brocken Russisch gelernt hatte, heckte einen Plan aus, um den Raubzügen zumindest teilweise Herr zu werden.
Kanisterweise Wodka
Es galt, an größere Mengen Alkohol ranzukommen. Seine beiden Schwestern Franziska und Elisabeth hatten die entsprechenden Kontakte: Die eine hatte den Gastwirt Josef Röseler geheiratet, die andere den Lebensmittelhändler Josef Altemeier. So konnte der Hilfspolizist alsbald kanisterweise Wodka in seine Wohnung schaffen. Fortan holten sich die am Waldschlösschen hausenden Russen ihren Wodka für eine gewisse Zeit in ihrer weiteren Nachbarschaft: bei Familie Böhmer an der Barbarossastraße 74.
Zu den Baracken
Die Russen stiegen stets die sechs Stufen zur Wohnung hinauf – und kaum hatten sie angeklopft, schon öffnete sich ein Kläppchen. Mutter Böhmer schenkte ihnen den begehrten Trunk in mitgebrachte Tassen ein, und zwar kostenlos. Die so Versorgten zogen stets brav zurück zu ihren Baracken – und brauchten nicht mehr plündern gehen.