Traumhaus der Nachtschwestern

Die Villa Kisker an der Langen Straße 1 wurde nach dem Zweiten Weltkrieg um- und ausgebaut. So wurde aus dem repräsentativen Wohnhaus eine Kinderklinik.

Die Villa Kisker an der Langen Straße 1 wurde nach dem Zweiten Weltkrieg um- und ausgebaut. So wurde aus dem repräsentativen Wohnhaus eine Kinderklinik.

Von Christoph Motog

 

Lippstadt - Der Abriss des Hauses Lange Straße 1 ist ernsthaft erwogen worden (wir berichteten), doch eine abschließende Entscheidung darüber ist laut gut informierten Kreisen noch nicht gefallen. Im Dezember- Blicker hatten wir auf die bewegte Geschichte des Objekts zurückgeblickt, das Ende des 19. Jahrhundert als neoklassizistische Villa errichtet worden war. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Prachtbau zur Kinderklinik um- und ausgebaut – und war nicht mehr wiederzuerkennen. Ab 1973 diente das Gebäude als griechisches Sozialzentrum, von 1982 bis 2023 war hier das „City-Hotel“ ansässig. 

 Nachts Sturm geklingelt

Über eine weitere Nutzung informierte uns jetzt eine Leserin, die zwischen 1965 und 1968 eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester absolvierte. (Die Zeitzeugin möchte hier nicht namentlich genannt werden.) Bevor die Kinderklinik zur Wiedenbrücker Straße umzog, diente das Gebäude eine Zeitlang auch als Schwesternwohnheim. Alsbald wusste jeder, dass hier nun lauter junge Frauen hausen – alle zwischen 17 und 19. Folge: „Männer, vor allem angetrunkene, klingelten nachts so heftig Sturm, dass manchmal die Polizei gerufen werden musste. Davon abgesehen hatten wir damals alle schon Freunde. Wir waren aber nicht alleine im Wohnheim – da war ja noch Schwester Hilde, die den Zerberus gab und höllisch aufpasste, dass sich kein Männerbesuch ins Haus schleicht.“ Unvergesslich bleibt auch: „Von den Kinderzimmern aus hatten wir einen guten Blick auf die Mühlenstraße mit dem Strand, wo die Nachtschwärmer ein- und ausgingen.“ 

 Plumpe Anmache

Zu den Schattenseiten der alten Kinderklinik gehörten die hygienischen Zustände. Dass die Duschen ein kümmerliches Bild abgaben, war noch zu verschmerzen. Schlimmer war es in der Küche: „Wenn wir während unserer Nachtwache reinkamen, krabbelten da Kakerlaken übers Essen. Da verging uns natürlich der Appetit, sodass wir in der Pause lieber zum Goldenen Hahn rüber eilten, um uns Kartoffelsalat und Cola zu holen.“ Der Gang in die Gaststätte war allerdings delikat, wurden die jungen Frauen da doch von Blicken verschlungen. „Wir betraten den Hahn ja in voller Schwesterntracht, inklusive Haube.“ Manche Gäste waren kaum zu bremsen und setzten schnurstracks zum plumpen Annäherungsversuch an. Sie hatten die Rechnung allerdings ohne die resolute Wirtin Hedwig Henke gemacht. „Sie hat uns stets vor den Männern geschützt.“