50 Jahre Fußgängerzone

Seit 50 Jahren hat "seine Exzellenz der Fußgänger das Sagen im Fußgängerparadies Lange Straße". Um nun eine erfolgreiche Zukunft zu sichern, gilt es, die Straße durch Kultur- und Freizeitaktivitäten sowie mehr Aufenthaltsqualität aufzuwerten. Foto: Eickhoff

Die heutige Fußgängerzone war bis 1967 noch die unumstrittene Lippstädter Hauptverkehrsader. Der Durchgangsverkehr nach Norden führte damals noch nicht über die Woldemei. Foto: Patriot-Archiv

Das Foto wurde 1983 aufgenommen, als die Fußgängerzone noch ihr erstes Pflaster hatte. Bei dem Straßencafé handelt es sich um die Eisdiele der Familie Corinto Campo.

Seit 50 Jahren hat "seine Exzellenz der Fußgänger das Sagen im Fußgängerparadies Lange Straße". Um nun eine erfolgreiche Zukunft zu sichern, gilt es, die Straße durch Kultur- und Freizeitaktivitäten sowie mehr Aufenthaltsqualität aufzuwerten. Foto: Eickhoff

Die heutige Fußgängerzone war bis 1967 noch die unumstrittene Lippstädter Hauptverkehrsader. Der Durchgangsverkehr nach Norden führte damals noch nicht über die Woldemei. Foto: Patriot-Archiv

Das Foto wurde 1983 aufgenommen, als die Fußgängerzone noch ihr erstes Pflaster hatte. Bei dem Straßencafé handelt es sich um die Eisdiele der Familie Corinto Campo.

Von Christoph Motog 

 

Lippstadt - Zu den ersten deutschen Mittelstädten mit einer Fußgängerzone gehörte im Oktober 1974 Lippstadt. Beworben wurde die nun rund um die Uhr für den Autoverkehr gesperrte Lange Straße nicht unbescheiden: Hier mache man beim Einkauf eine „Weltreise im Taschenformat“, seien die Händler doch „verzahnt und eingewoben in das riesige System der Weltmärkte“. Somit werde „der Einkaufsbummel von einem Ende der Langen Straße zum anderen ein Weg vorbei an einem kleinen Stück New York, London, Paris und Kopenhagen“. Hier werde der Fußgänger zum Spaziergänger – „und aus der hektischen Shopping-Tour wird der Einkaufsbummel, das genießerische Zuschauen und Flanieren“. Fazit: In Lippstadt „ist alter Hanseatengeist neu belebt worden“.

 Zu früh gefeiert

Das zehnjährige Bestehen der Fußgängerzone wurde im Folgejahrzehnt mit viel Musik gefeiert, kurioserweise allerdings zwölf Monate zu früh – im Herbst 1983. Irgendwer konnte damals offenbar nur bis neun zählen. Aber geschenkt. Entscheidend war: Die Lange Straße galt als attraktiv, Kunden strömten auch aus der weiteren Umgebung herbei. Maßgeblich zum Erfolg bei trugen indes auch einige herausragende Geschäfte in den Seitenstraßen, allen voran das deutschlandweit bekannte Modehaus Eickhoff.

 Zuwachs anno '87

Im Juli 1987 bekam die Fußgängerzone Zuwachs. Bis dahin hatte der Rathausplatz noch als Parkplatz und Bushaltestelle gedient. Nun bekam er Kopfsteinpflaster und war fortan ein zu allen Jahreszeiten genutzter Festplatz. Im Laufe der 1990er-Jahre wurde der Wunsch nach einer Renovierung der Langen Straße laut – die Pflasterung war stellenweise brüchig, die Begrünung ebenfalls in die Jahre gekommen.

 Aus der Versenkung 

1997 wurde die Sanierung vollzogen. Die rauen Steine mit dem krawattenartigen Muster wichen einem glatten und ausgesprochen hellen Pflaster. Hinzu kamen 43 neue Straßenleuchten und 31 Bäume. Zudem wurde der lange tiefgelegt gewesene Bernhardbrunnen aus der Versenkung geholt und die Straße Am Bernhardbrunnen für den Verkehr gesperrt, was die Fußgängerzone nochmals vergrößerte.

 Abschied um Abschied

Um die Jahrtausendwende verstärkte sich in Lippstadt eine Entwicklung, die schon lange zuvor eingesetzt hatte: Immer mehr Traditionsgeschäfte schlossen. Manche Inhaber fanden keinen Nachfolger, andere kapitulierten angesichts in die Höhe geschossener Mieten. Wieder andere merkten: Wenn ich mein Ladenlokal an eine Kette vermiete, kommt monatlich mehr Geld rein als mit meinem eigenen Geschäft. Bald war die Fußgängerzone von Filialisten dominiert. Verstärkt wurde diese Entwicklung später durch den Boom des Online-Handels. 2019 schlug der Handelsverband Deutschland (HDE) Alarm: „Die einst so attraktiven Zentren verlieren an Zugkraft, immer weniger Menschen finden den Weg in die Fußgängerzonen.“

 Keine Panik

Im Zuge der Pandemie verschärfte sich die Krise weiter. Leerstände lassen sich immer schwieriger neu vermitteln. Und was vor wenigen Jahre noch undenkbar schien, gehört heute auch in Lippstadt zum Bild: Nagelstudios oder Döner-Imbisse haben sich in 1a-Lage angesiedelt. Droht die Innenstadt damit den Bach runterzugehen? Der Stadtsoziologe Frank Eckhardt warnte kürzlich im Spiegel vor Panikmache. Fastfood-Lokale schadeten einer Innenstadt keinesfalls. Wer nur hochpreisige Angebote wolle, lasse außer Acht, dass eine Stadt auch junge Menschen braucht. Für Jugendliche seien Dönerläden ein Erlebnis und ein Treffpunkt. „Ohne solche Angebote gäbe es für viele von ihnen kaum mehr einen Grund, in der Innenstadt zu sein“ – und die Fußgängerzonen wären noch leerer. Sie dürfen aber nicht leerer werden, denn sehen und gesehen werden sei hier „nach wie vor einer der wichtigsten Aspekte“.

 Mehr als eine Mall

Das wirkliche Problem der Innenstädte sei, dass man sie immer mehr auf rein kommerzielle Angebote reduziert habe, so der Stadtsoziologe. Wieder attraktiv machen könne man die Zentren durch Kultur-, Freizeitaktivitäten, mehr Aufenthaltsqualität und eine bessere Verkehrsanbindung. Heißt für die Lippstädter Fußgängerzone: Sie hat nur dann ein weiteres halbes Jahrhundert vor sich, wenn sie mehr ist als eine Shopping Mall ohne Glasdach.