Von Christoph Motog
Wadersloh - Wenn dir im Leben allzu oft was Komisches widerfährt, kannst du dir einen Psychocoach suchen – oder daran verzweifeln. Du kannst den Widrigkeiten aber auch mit Musik entgegentreten: In „Same Man, Same Shit, Different Day“ erzählt Bernd Gärtner, wie er seinen chronischen Alltagsdesastern die Stirn bietet. Zu finden ist der rockige Country-Blues-Song auf dem Album „Live at Fort Nutria Studios“, das der Wadersloher vergangenen November unterm Pseudonym Burner Gasoline veröffentlicht hat. Es ist das Solo-Debüt eines Musikers, der in der heimischen Szene bereits seit über 20 Jahren mitmischt. Viele kennen ihn als Mitstreiter der Punk’n’Roll-Band Pocahontas on Crack und der Surfrockcombo Mr. Motor.
Country'n'Blues
Dass Bernd jetzt auch solo unterwegs ist, nahm 2016 seinen Anfang, als er an der Akustikgitarre neue Songs für die Pocahontas erarbeitete. Weil er in einen geradezu rauschhaften Schreibfluss geriet, entstanden überaus viele Lieder. Einige erwiesen sich allerdings als zu Country’n’Blues-lastig für den ungestümen Stil der Pocahontas, die ja vorzugweise auf die Zwölf zielen. Für die andersartig geratenen Songs fand sich jedoch eine passende Verwendung. „Ich bringe die alleine“, beschloss Bernd – und gab 2017 beim Liesborner „Mach ma Akustik“-Festival sein Debüt als Burner Gasoline. „Den Spitznamen Burner habe ich schon vor über 20 Jahren verpasst bekommen. Ich fuhr damals einen alten Golf, und beim Starten drehten immer die Reifen durch.“ Den naheliegenden Zusatz Gasoline fügte er selbst hinzu, zumal die Kombination die Initialen seines Klarnamens Bernd Gärtner widerspiegelt.
Nicht nur Cash zählt
Zu den Einflüssen von Burner Gasoline gehören Johnny Cash, Elvis und Willie Nelson, aber auch „New Country“-Größen wie Luke Combs oder der Americana-Punk von Social Distortion. Bernds mit tiefer Stimme und Gitarre vorgetragener Country-Rock-Blues zündete vom Start weg so gut, dass sich die Anfragen für Konzerte bald häuften. So trat er mehrmals beim Stromberger Käfertreffen „Bugs, Beer & Badeanstalt“ auf und entfachte dort Lagerfeuerstimmung.
"Hey, hast du 'ne CD?"
Nach den Zugaben wurde ihm wiederholt eine Frage gestellt: „Hey, hast du ‘ne CD?“ Hatte er nicht, aber die Vision eines Silberlings ging ihm bald nicht mehr aus dem Kopf. 2023 war es endlich so weit, die Aufnahmen begannen. Geplant war ein sorgfältig durchproduziertes Studioalbum. Innerhalb kürzester Zeit machte sich allerdings Ernüchterung breit. „Da ist kein Feuer drin“, merkte Bernd und gestand sich ein: „Ich bin offenbar kein unfassbar guter Studiomusiker. Live geht mir alles leichter von der Hand.“ Sein Kumpel Heiko, der die Aufnahmen leitete, kam zum selben Schluss: „Du musst live spielen, nur dann hast du den perfekten Take.“ Die Einsicht führte zur einzig schlüssigen Eingebung: „Es wäre doch cool, das Ganze vor Publikum einzuspielen, wie eine Liveplatte.“
Keinen Terrier gefressen
Bernd entschied, die Aufnahme mit der Feier seines 40. Geburtstags zu verbinden. Der geräumige Proberaum wurde dafür mal eben zum Konzertsaal umgestaltet. Ein Haufen Freunde, Bekannte und Musikerkollegen waren eingeladen – und alle fanden es spannend, mit ihrer Präsenz und ihrem Beifall zum Album beizutragen. Und: Wer die fertige Platte hört, hat tatsächlich den Eindruck, grade ein Konzert zu besuchen. Der eigentümliche Titel „Live At Fort Nutria Studios“ spielt auf die Umgebung des Proberaums an. Da fließt ein Bach, wo sich die für ihre Gefräßig- und Fruchtbarkeit berüchtigten Nager breit gemacht haben. Einen Terrier gefressen, wie 2021 in Lippstadt geschehen, haben die Nutrias dort allerdings noch nicht.
Jenseits des Lattenzauns
Im Fort Nutria ist ein abwechslungsreiches Album entstanden, das gleichwohl wie aus einem Guss klingt. Fröhliche Tracks wie „Colt Seavers“ wechseln sich mit persönlich-emotionalen („Waiting For Me“) und tiefgründigen wie dem eingangs erwähnten „Same Man, Same Shit, Different Day“ ab. „Mit 20 denkst du nur von hier bis zum Lattenzaun, mit 40 bist du etwas deeper“, erklärt Bernd den Umstand, auch existentielle Lebenserfahrungen in seinen Songs zu verarbeiten. Bestes Beispiel ist der Opener „Knocked Me Out“, in dem er eine Krankheit aufarbeitet. Der Arzt macht ihm klar, dass die Situation ernst ist, dass eine heikle Operation droht. Der Patient nimmt den Kampf gegen die Krankheit nicht nur mit Pillen, sondern mit einem kräftigen Mantra auf: „But I Get Back Up.“
Beautiful but terrible
Das Leben bringt ohnehin in fast jeder Phase aufreibende Kämpfe mit sich: „I must fight till the Gravedigger digs my hole“, singt Bernd in einem anderen Song. In Düsternis verfällt er dabei jedoch nicht. Mit „I like beautiful melodies telling me terrible things“ hat Tom Waits das Phänomen mal beschrieben. So beherrscht auch Burner Gasoline die Kunst, dunkle Inhalte in eingängige, ja mitsingbare Stücke zu packen.
Moonshiner Blues
„Live At Fort Nutria Studios“ kann als CD unter burnergasoline.bandcamp.com bestellt werden. Unter soundcloud.com/bernd-g-rtner finden sich drei Hörproben, darunter der famose „Moonshiner Blues“.
Burner@Brennerei:
Wer Burner Gasoline live erleben möchte, hat Dienstag, 30. April die Gelegenheit: Neben den Rockbands Inside Vatikan und Canjapan spielt er beim „Rock in den Mai“ in Waderslohs Alter Brennerei Karger (Überwasserstraße 1). Los geht es um 20 Uhr.