fast wie im Kino

Schon fast eine Ära: Das Mokkaccino gibt es seit 2004.

Markus "Mokka" Adam mit seiner Frau Nancy.

Markus Adam hat keine Zapf- oder Cocktailmixerkurse absolviert, er hat das fachgerechte Kaffeezubereiten erlernt. Er ist somit, zu Neudeutsch, ein echter Barista.

Schon fast eine Ära: Das Mokkaccino gibt es seit 2004.

Markus "Mokka" Adam mit seiner Frau Nancy.

Markus Adam hat keine Zapf- oder Cocktailmixerkurse absolviert, er hat das fachgerechte Kaffeezubereiten erlernt. Er ist somit, zu Neudeutsch, ein echter Barista.

Von Christoph Motog

Lippstadt - Hier sitzt du im Verkehrskino. Wer sich gern fremdschämt, kann den beliebten Parkplatz gegenüber ins Visier nehmen: Wenn mal einer der 25 Stellplätze frei wird, fühlt sich zuweilen mehr als einer zum Nachrücker berufen. Falls es sich bei den Kontrahenten um solche mit kurzer Zündschnur handelt, wovon es in Lippstadt nicht eben wenige zu geben scheint, wird unverzüglich gebrüllt und gezetert. Der Interessenkonflikt endet oft beinahe handgreiflich. Immer wieder rauschen hier auch Geisterfahrer durchs Bild. Meist handelt es sich um Ortsunkundige, die an der Geiststraße falsch abgebogen sind und sich nun über den sich rücksichtslos breitmachenden Gegenverkehr wundern.

 Mokka statt Ädäm

So ist das hier schon seit 2004 zu erleben, als Matthias Gierosz das Mokkaccino eröffnete. Als Geschäftsführer stellte er Markus Adam ein, der die Espressobar nach anderthalb Jahren komplett übernahm und bis heute führt, unterstützt von seiner Frau Nancy und einem engagierten Team. Es gibt in Lippstadt nicht wenige Lokale, die nach ihrem Besitzer benannt sind – von der Kneipe Bei Gregor bis zum Landhaus Günther. Im Fall des Mokkaccinos ist es umgekehrt, hier stand der Caféname Pate für den Betreiber. „Ich bin heute für fast alle nur noch der Mokka. Meinen richtigen Namen kennen viele gar nicht“, erzählt Markus Adam. Der Mokka hat seinen früheren Spitznamen Ädäm im Laufe der Zeit komplett verdrängt.

 Bock auf den Blend

In wirtschaftlicher Hinsicht verliefen die ersten Mokkaccino-Jahre eher zäh. Anfang der 2010er-Jahre hatte Markus Adam dann die zündende Idee: Eine hauseigene Kaffeemischung muss her. Man machte sich schlau und schrieb ein paar in Frage kommender Kaffeeröster an, von denen sich aber nur ein einziger zurückmeldete: Andreas Risse von der Bielefelder Kaffeewelt Eisbrenner. Der Mann schlug zu: „Ich habe da Bock drauf; ich bin ja auch erst seit kurzem selbständig, wir machen das zusammen.“ 

 Wie die Vorkoster

Kurz darauf fuhr Markus mit zwei kaffeeaffinen Sekundanten nach Bielefeld, um eine ansprechende Mokkaccino-Mischung zu finden. Der Röster waltete seines Amtes, auf der Suche nach dem perfekten Bohnen- und Sortenmix samt passgenauer Röstweise. „Wir haben abgeschmeckt und immer wieder ,Da muss noch was zu‘ gesagt. Das hat ein paar Stunden gedauert. Wir konnten irgendwann schon fast nicht mehr, bis wir bei der zigsten Variante hochschnellten: ,Das ist er! Das schmeckt ja fein!‘“ Aber würde der Blend auch den Realitätstest bestehen? Er tat es, die Mokkaccino-Gäste fanden ihn genauso lecker wie die drei Vorkoster. Der Kaffee kam so gut an, dass bis zum heutigen Tag nichts an der Mischung verändert wurde. Aus Bielefeld trifft regelmäßig ein 20-Kilo-Paket mit frisch geröstetem Nachschub ein.

 Nichtraucherjahre

Als der Blicker Ende 2007 erstmals über das Mokkaccino schrieb, war von Anwälten und Tätowierern die Rede, die hier morgens auf Lebenskünstler treffen: „Die einen machen Frühstückspause, die anderen fangen den Tag erst an.“ Und mittags, schrieben wir damals, „nehmen hier Handwerker, Hella- und Kassenpersonal ihre Auszeit“. Fast 17 Jahre danach bietet sich ein ganz anderes Bild. Ein generationsübergreifendes Publikum tummelt sich in der Espressobar. Es kommen 40-Jährige ebenso wie über 70-Jährige, es kommen ganz junge Leute, die ihren Kaffee lieber mit Hafer- als mit Kuhmilch trinken. Und – dank des Nichtraucherschutzgesetzes – kommen längst auch Familien mit Kindern.

 Der Alk läuft nicht

Alkohol steht im Mokkaccino zwar auf der Karte, läuft aber in der Praxis nur unter ferner liefen. Ab und zu bestellt jemand mal einen Aperol, ein Glas Weißwein oder eine Flasche Bier. Aber sonst? „Manche hochprozentige Spirituosen stehen hier schon seit 15 Jahren ungeöffnet“, erzählt Markus. Selbst der in anderen Espressobars beliebte Grappa wird nur höchst selten geordert. Markus Adam hat ja auch keine Zapfer- oder Cocktailmixerkurse absolviert, sondern das Handwerk des fachgerechten Kaffeezubereitens erlernt. Er ist somit, zu Neudeutsch, ein echter Barista.

 Italo-Momente

Statt sich zu berauschen genießt man im Mokkaccino Heißgetränke und kleine Speisen wie Panini und Bagel. Geht man doch vor allem hierhin, um eine Kaffeepause zu machen, die im Idealfall italienischen Momenten nahe kommt, wie sie im Mokkaccino früher auf einer (leider verlorengegangenen) Leinwand auf der Damentoilette gewürdigt wurden: „Man muss sich bloß in die nächstbeste Bar stellen und dem Treiben ein wenig zuschauen. Wie der gerade noch so würdige Professore sich in eine Debatte mit dem Vespa-Kurier verzettelt, in der es um das gesamte Universum geht … Und schon ist es, als wären die beiden immer die allerbesten Freunde gewesen. In Italien sind Bars keine Orte, an denen man Niederlagen betrinkt, verlorenen Lieben hinterher trauert oder Melancholie zelebriert, sondern Fünf-Minuten-Reparaturbetriebe für die Seele. Ein Espresso, ein Aperol, zum Frühstück ein Cornetto mit dem Caffè, schon läuft es wieder. In ein paar Stunden, nach Büroschluss, bis ans Ende aller Tage wird man wiederkommen. Und jedes Mal, wenn man dringend eine Pause braucht (also ziemlich häufig), wird es funktionieren, wird man glücklicher und beschwingter sein … Nichts Großes, nichts Weltumstürzendes, aber ein perfekt dosierter Moment: ein wenig Aufputschen, ein wenig Runterkommen, ein wenig Abwechslung und Unterhaltung, ein festes Ritual im ewigen Fluss der Zeit…“

 Spagat mit Stühlen

Die Coronazeit hat Markus dazu genutzt, das Mokkaccino mithilfe eines angesagten Innenarchitekten komplett auf links zu drehen. Vom Boden über Tische und Lampen bis zur Decke wurde alles neu gemacht – mit einer Ausnahme: die zum Möbelklassiker gewordenen Stühle eines Gütersloher Traditionsherstellers sind geblieben. Unterm Strich schafft das Ambiente einen Spagat: Es ist sowohl behaglich als auch unaufdringlich stylish. Hinzu kommt, dass dank der zwei durchgängigen Scheibenfronten selbst an trübsten Tagen viel natürliches Licht einfällt.

 Nicht in Rente

Markus brennt noch genauso für seine Espressobar wie in der Anfangszeit. „Die schönsten Momente sind für mich, wenn die Leute beim Bezahlen sagen: ,Der Kaffee hat unheimlich lecker geschmeckt‘.“ Am Samstag, 4. Mai möchte er nachmittags mit seinen Stammgästen aufs 20-Jährige anstoßen. Es dürften indes noch viele Jahre dazukommen: „Ich wette darauf, hier auch noch in ferner Zukunft zu stehen, wenn andere in meinem Alter längst in Rente sind.“