Die Stimme von Slime: Tex Brasket

Bei seinem Sologig in Lippstadt wird Tex Brasket auch Songs von Slime singen. "Das erwarten die Leute ja auch, da komme ich gar nicht drumherum." Foto: Alexander Schliephake

"Lippstadt tut mir gut, hier kann ich zur Ruhe kommen": Tex Brasket schätzt die Vorzüge seiner neuen Heimat Lippstadt. Manchmal sehnt er sich gar nach noch mehr Ruhe: "Handy aus, draußen sein, nachts am Feuer hocken und einfach mal ruhig sein. Ich lebe gern meinen inneren Huckleberry Finn aus." Foto: Katharina Böke

Bei seinem Sologig in Lippstadt wird Tex Brasket auch Songs von Slime singen. "Das erwarten die Leute ja auch, da komme ich gar nicht drumherum." Foto: Alexander Schliephake

"Lippstadt tut mir gut, hier kann ich zur Ruhe kommen": Tex Brasket schätzt die Vorzüge seiner neuen Heimat Lippstadt. Manchmal sehnt er sich gar nach noch mehr Ruhe: "Handy aus, draußen sein, nachts am Feuer hocken und einfach mal ruhig sein. Ich lebe gern meinen inneren Huckleberry Finn aus." Foto: Katharina Böke

Von Christoph Motog

 

Lippstadt - „Alle Leute sollten mal auf der Straße leben.“ Tex Brasket weiß, wovon er spricht. Er war lange obdachlos und schlug sich als Straßenmusiker durch. Später drehte sich der Wind, heute ist er Sänger der legendären Punkband Slime. Straßenmusik macht er jetzt nur noch selten, aber Tex erinnert sich noch gut daran, wie es ihm dabei zuletzt ergangen ist. Es war im vergangenen Sommer, und zwar in seinem jetzigen Wohnort, in den es ihn vor anderthalb Jahren der Liebe wegen verschlagen hatte: Lippstadt. „Das klappte richtig gut hier. Es hat mich keiner verjagt, und keiner hat sich gestört gefühlt.“ Er weiß wovon er spricht, hat anderswo ganz andere Erfahrungen gemacht. „Wie die Leute mit Straßenmusikern umgehen, das sagt viel über die Bürger einer Stadt aus. Und das macht mir Lippstadt schon sehr sympathisch.“

 Überall Außenseiter

Auf der Straße hat er gelernt, „dass Menschen eigentlich gut sind. Selbst hinter der größten Arschlochfassade steckt oft etwas Gutes; ganz klein, aber es ist da.“ Die Erfahrungen der Obdachlosigkeit wird Tex nie vergessen. Sein Leben verlief indes schon von klein auf äußerst bewegt. In Texas geboren, wurde er von einer in den USA lebenden deutschen Familie adoptiert. Als er drei war, siedelte die Familie nach Bayern über. Weil der Junge nicht katholisch war, galt er als Außenseiter. Als Neunjähriger ging es vorläufig zurück nach Amerika, dort war er das Kind mit dem seltsamen Schwarzenegger-Akzent. 

 Schule geschmissen

Nirgends kam er richtig an, mit 15 schmiss er die Schule und hielt sich fortan mit kleinen Jobs über Wasser. Er kam früh mit Drogen in Kontakt, bald auch mit den härteren. 2016 zog er mit besten Absichten nach Berlin. Aus der angestrebten Umschulung wurde jedoch nichts. Ohne Wohnung und ohne Geld landete er schließlich auf der Straße, wo ihm nur die Musik blieb, die ihm anfangs allerdings nur wenige Münzen einbrachte. Tex gab nicht auf, ergriff irgendwann die Chance, auch mal in Kneipen zu singen und fing an, sich aus dem Schlamassel zu ziehen.

 Die gefährlichste Droge 

Die dunklen Kapitel seines Lebens hat er heute hinter sich gelassen. Wer aber könnte nun glaubwürdiger über das Elend singen als einer wie Tex, der das Elend selbst erlebt hat? Folgerichtig handeln seine Lieder von Hoffnung in vermeintlich aussichtslosen Lagen, Drogensucht, Gewalt, psychischer Krankheit, sozialer Ungerechtigkeit und Armut, Ärger mit dem Gesetz und Prostitution. Immer wieder singt er aber auch von der Liebe, „der gefährlichsten Droge von allen“, wie er sagt.

 Schweineherbst

Mitte der 90er, er war kaum 13, da stieß Tex auf eine Punkband, die viel stärker als Die Toten Hosen oder Die Ärzte auf politische Inhalte setzte: Slime. Die Hamburger hatten grade „Schweineherbst“ veröffentlicht, das bis heute als eines ihrer besten Alben gilt. „Diese Platte hörte ich rauf und runter, sie hat mich total geprägt“, sagt Tex. „,Schweineherbst‘ war der Auslöser dafür, genau hinzuschauen und hat mich motiviert, zwischen den Zeilen zu lesen“. Mehr als ein Vierteljahrhundert später, im Sommer 2020, nahm der langjährige Slime-Frontmann Dirk „Diggen“ Jora seinen Abschied. Alles befürchtete nun die Auflösung von Slime, doch Ende 2021 hauten die verbliebenen vier Mitglieder die gute Nachricht raus: Es geht weiter, mit einem neuen Sänger. Sein Name: Tex Brasket.

 Kein Erbgutverwalter

Wer nun annahm, die angestammten Slime-Mitglieder Christian, Elf, Nici und Alex hätten Tex nur als Diggens Erbgutverwalter geholt, wurde spätestens sechseinhalb Monate später Lügen gestraft, als die Band das Album „Zwei“ veröffentlichte. Mit seiner kräftig-markanten Stimme und vor allem den Lyrics, die allesamt seiner Feder entsprangen, hauchte Tex der über 40 Jahre alten Band neues Leben ein. Dass sein kreativer Einfluss so groß geraten ist, war anfangs nicht absehbar; im Laufe der Produktion ergab es sich aber so.

 Erfolgreichstes Album

Eingefleischte Nostalgiker unter den Fans, die jede Veränderung ablehnen, haben sich infolge der Neuerungen zwar von Slime abgewandt, doch im Gegenzug sind so viele neue Hörer dazugekommen, dass sich die Fanbase unterm Strich vervielfacht hat. „Zwei“ schaffte es auf Platz 7 der deutschen Charts und ist damit das bisher erfolgreichste Album der Bandgeschichte. „Irgendwas hat man also richtig gemacht“, sagt Tex – „für einen Songschreiber ist das ein schönes Gefühl“.

 Ständig neue Songs

Mittlerweile hat Tex mit Slime auf so beliebten Festivals wie Wacken, Open Flair oder Ruhrpottrodeo und in vielen ausverkauften Hallen und Clubs gespielt. Beim Sologig am 27. April im Kulturraum Synagoge (siehe unten) kann der Sänger und Gitarrist aus dem Vollen schöpfen – „ich schreibe ständig neue Songs, und wenn ich nicht schreibe, schreibe ich im Kopf“. Es werden auch Slime-Tracks auf der Setlist stehen, „das erwarten die Leute ja auch, da komme ich gar nicht drumherum“. Dass er in Lippstadt unplugged auftritt, dürfte die Wirkung seiner Musik nicht schmälern: Schonungslos und keinesfalls jugendfrei klatscht er einem die eigene ungeschminkte Wahrheit um die Ohren.

 Den Huck rauslassen

Bleibt die Frage: Vermisst einer wie Tex Brasket in seiner neuen Heimat eigentlich nicht den Großstadtrummel? Nein. „Halligalli hab ich schon auf Tour genug. Lippstadt tut mir gut, hier kann ich zur Ruhe kommen.“ Manchmal sehnt er sich gar nach noch mehr Ruhe; Tex mag es ländlich: „Handy aus, draußen sein, nachts am Feuer hocken und einfach mal ruhig sein. Ich lebe gern meinen inneren Huckleberry Finn aus.“ 

 

Das Konzert:

TEX BRASKET 

Kulturraum Synagoge – Lippstadt 

Samstag, 27. April 

Beginn: 19.30 Uhr 

Kartenreservierungen unter mail@synagoge-lippstadt.de