KU: UFO-Pilot ist krank

Im Dezember 1983 wurde das KU eröffnet - und zog fortan bis zu 5000 Besucher pro Wochenende an. Foto: Lydia Böhmer

"40 Jahre KU - das große Wiedersehen": Am 15. und 16. Dezember 2023 wird in der Südlichen Schützenhalle Lippstadt eine Revival-Party gefeiert. Foto: Lydia Böhmer

Im Dezember 1983 wurde das KU eröffnet - und zog fortan bis zu 5000 Besucher pro Wochenende an. Foto: Lydia Böhmer

"40 Jahre KU - das große Wiedersehen": Am 15. und 16. Dezember 2023 wird in der Südlichen Schützenhalle Lippstadt eine Revival-Party gefeiert. Foto: Lydia Böhmer

Von Christoph Motog 

Lippstadt - Wochenend um Wochenend feierten im KU bis zu 5000 Leute ab. Die DJs versorgten im Laufe jeder Disconacht alle Geschmäcker – Pop, Funk, New Wave, Rock und Heavy Metal. Dazu gab es eine inoffizielle KU-Hymne, die stets gegen Mitternacht lief erinnert sich DJ Gerd Erkelenz, der Mitte der 1980er auflegte: „Bei „Verdamp lang her“ von BAP hat die ganze Tanzfläche textsicher und synchron mitgesungen. Auch wenn wir den Song mittendrin für 30 Sekunden ausblendeten: Es passte genau, denn wenn wir die Musik am Ende wieder aufdrehten, sangen die Leute immer noch auf die Zehntelsekunde genau an der richtigen Stelle.“ 

 UFO-Pilot krank

Ohnehin hatte das Publikum sämtliche Rituale der Großraumdisco verinnerlicht. Wenn die UFO-Show ausnahmsweise mal flachfiel, hagelte es Proteste. Light-Jockey Rene hatte stets eine tollkühne Entschuldigung parat: „Der Pilot ist krank!“ -„Wie, da sitzt einer drin?“, staunten die Beschwerdeführer – und gaben sich zufrieden.

 

DJ Walter Fernau legt seit 1972 auf und zählt damit zur Speerspitze aller deutschen DJs. Aus seiner KU-Zeit sind ihm besonders die Ende der 80er veranstalteten „Verrückten Freitage“ in Erinnerung. Mal stapfte ein Elefant durchs KU, mal gab es einen Ableger der Spielshow „Tutti Frutti“ – inklusive blankziehender Tänzerinnen. Eines Abends stand ein Mini auf der Bühne, und die Preisfrage war: Wie viele Leute passen da rein? Man ließ es auf einen Versuch ankommen: 27 Personen fanden im Auto Platz. Stets gab es was zu gewinnen, einmal gar ein Frühstück bei Tiffany. „Die Gewinner wurden tatsächlich mal eben nach New York geflogen“, erinnert sich Walter.

 Keine Bauerndisco

Auch internationale Cracks gaben sich im KU die Ehre. John Canada aus Portugal hatte Mitte der 80er schon in angesagten Diskotheken wie „La Scala“ in Paris aufgelegt. Er galt als Riesentalent am Mischpult – mit einer Vorliebe für Funk und Italo-Disco. Nachdem John sich auf Teneriffa in eine junge Deutsche verliebt hatte, begleitete er sie im Spätsommer 1985 in ihre Heimat nach Paderborn. Hier war der DJ weiter bei seiner Ina, stand aber vor der Frage: „Wo kann ich meine Arbeit machen?“ Die Antwort fand sich 30 Kilometer weiter westlich, im Schatten der B55 in Lippstadt. „Es gab ja Leute, die das KU als Bauerndisco geschmäht haben, aber für mich zählte es definitiv zu den besten Diskotheken in ganz Europa.“

 

John gestaltete den Höhepunkt der neun KU-Jahre mit: die Aufzeichnung der ZDF-„Rock Pop Music Hall“ im Oktober 1985 – mit Falco, OMD, Marillion, Jennifer Rush, Sandra, Peter Maffay, den Commodores und vielen anderen. Fast 40 Jahre später ist John auf Madeira noch immer bestens im Geschäft, legt auf Festivals für 5000 Leute auf. Einer wie John braucht nicht nostalgisch sein; die Gegenwart erfüllt ihn. Wenn es aber ums KU geht, gerät er ins Schwärmen. Allerdings nicht ohne Wehmut: „In den 80ern haben sich die Leute noch aufwändig zurechtgemacht. Man ging ja in die Disco, um Kontakte zu knüpfen und zu flirten. Heutzutage ist es anders, die Leute kommen in Jeans und Turnschuhen. Alles was sie wollen, ist Musik hören und Party machen.“

 Die MP kam stets

Wie in jeder anderen Disco hat sich im KU manch dunkle Geschichte zugetragen. Der jüngst verstorbene KU-Türsteher Heinrich „Max“ Hagenbrock hat nie vergessen, was sich allwöchentlich an der blauen „Eiszapfentheke“ abspielte. Britische Soldaten gaben sich da stundenlang die Kante, „und wenn nichts mehr reinging, haben die sich ihre Drinks gegenseitig auf den Kopf geschüttet“. Es verging kein Wochenende, ohne dass die Military Police (MP) herbeieilte, um Problemkameraden abzuführen.

 

Anfang der 90er sprach sich die Disco zwar weiter aus wie Müllers Kuh, schrieb sich aber nun Q. Letzter DJ in der Ära der Diskothek war Thomas Feldmann alias Move. Für den Lippstädter ging damit ein Jugendtraum in Erfüllung. Als 15-Jähriger hatte er sich Mitte der 80er auf eine 30-Stunden-Party ins KU gemogelt. Was er hier erlebte, gipfelte in seinem persönlichen DJ-Urknall. Bald darauf legt er los und im Jugendzentrum AZ oder auf der Disco Rixbeck auf. Als KU-Gast stellte er dann eines Nachts fest: „Was diese DJs können, kann ich auch!“ Im Sommer 1992 bewarb er sich zum wiederholten Mal im KU – und wurde endlich engagiert. Anfangs war die Aufregung groß. „Ich wusste ja, wie schnell sich eine Tanzfläche schnell leeren kann, wenn man hinterm Pult was falsch macht.“ Doch der Dancefloor blieb voll.

 Abgefackelt

Leider währte seine KU-Ära keine drei Monate. Am Ende eines September-Wochenendes wollte Thomas seine fünf großen Plattenkisten ausnahmsweise nicht mit nach Hause nehmen, sondern in der Disco lassen. Infolge einer plötzlichen Eingebung überlegte er es sich in letzter Sekunde anders und schleppte wie gewohnt alles ins Auto. Keine 24 Stunden später wurde die Disco abgefackelt. Für Thomas brach eine Welt zusammen, er heulte Rotz und Wasser. Etwas Unfassbares folgte. Thomas wurde von der Polizei verhört und mit einer angeblichen, ihn belastenden Aussage eines Kollegen konfrontiert. Er war fassungslos: „Warum sollte ausgerechnet ich das KU anzünden? Ich zerstöre doch nicht meinen Traum!“ 

 

Kurz darauf ermittelte die Kripo den wahren Verantwortlichen für den heißen Abbruch: Es war der letzte KU-Betreiber, der die Versicherung um vier Millionen Mark betrügen wollte. Thomas aber ging weiter seinen DJ-Weg. Bis heute fährt er mit dem Autokennzeichen SO-DJ-992 herum: in Erinnerung an den September 1992, als er letztmals im KU aufgelegt hatte. „Es ist meine DJ-Glücknummer, die ich immer behalten werde.“