Ofen aus, Jurte kalt

Da wusste er noch nicht, was ihn erwartet: Christian Lankers vor Antritt seiner Weltreise im Herbst 2022. Foto: Klaus Joswig

Auf dem Weg in die Steppe schaute Christian bei Dschinghis Khan nach dem Rechten.

Christian vor der Jurte, in der ihm eine unvergessliche Nacht bevorstand.

Da wusste er noch nicht, was ihn erwartet: Christian Lankers vor Antritt seiner Weltreise im Herbst 2022. Foto: Klaus Joswig

Auf dem Weg in die Steppe schaute Christian bei Dschinghis Khan nach dem Rechten.

Christian vor der Jurte, in der ihm eine unvergessliche Nacht bevorstand.

Von Christoph Motog

Lippstadt - Es gab schon Paradiesvögel, die es ohne Geld um die Welt geschafft haben. Ohne Stress, Pech und Pannen hat dagegen noch keiner die Erde umrundet. Auch nicht Christian Lankers. Als der Lippstädter dem Blicker im Herbst 2022 die ausgeklügelte Planung seines Langzeittrips vorstellte, fiel ein Satz, den jeder unterschreiben kann, der mal eine Weltreise gewagt hat: „Was am Ende wirklich dabei rauskommt, bleibt abzuwarten.“ Man weiß ja nie, was passiert. Dieser Realismus dürfte Christians Widerstandsfähigkeit zugutegekommen sein, als er nach dem reibungslosen Auftakt seiner Reise plötzlich in eine vertrackte Situation geriet.

 Ab in die Steppe

Das Verhängnis bahnte sich Ende Februar 2023 an. Christian wollte eigentlich von Südkorea direkt nach Japan weiterreisen. Als er aber erfuhr, wie günstig Flüge von Seoul zur mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar (Ulan Bator) sind, entschied er sich spontan für einen Abstecher. Nach der Ankunft am Dschingis-Khan-Airport galt es, sich warm anzuziehen, war es hier doch 20 Grad kälter als in Korea. Nach ein paar Nächten in Ulaanbaatar buchte Christian einen romantischen Trip in die unendlichen Weiten der mongolische Steppe. 

Der Deal war, 100 Kilometer von der Hauptstadt entfernt bei einer Nomadenfamilie zu übernachten. Nach einem Zwischenstopp an der berühmten Reiterstatue des Dschinghis-Khan brachte ihn ein Fahrer zum Ziel. Eine aus drei Generationen zusammengesetzte Nomadenfamilie wohnte da in ein paar Jurten, fernab jeder Siedlung. Nachdem Christian das für ihn reservierte Zelt bezogen hatte, bereiteten Mutter und Großmutter das Mittagessen zu. Sie tauten einen tiefgefrorenen Yakkopf am offenen Feuer auf. Speisen, die einen ungeübten Westler-Gaumen befremden, hat Christian in seinem Leben schon häufiger probiert. Auch in der mongolischen Jurte war er guten Willens, doch das Yakfleisch schmeckte derart seltsam, dass er es nicht schaffte, seine Portion ganz aufzuessen.

 Nachts im Nirgendwo

Das Abendessen, ein Rote-Bete-Salat, zerging dem Deutschen dagegen auf der Zunge. Anschließend schippte das Familienoberhaupt den Ofen in Christians Jurte mit Kohle voll. Der Tourist aus Lippstadt war noch nicht müde, aber was konnte man hier unternehmen? Internet gab es nicht, also blieb nur ein kleiner Spaziergang. Aber wohin? Drumherum sah fast alles gleich aus, alle Wege führten ins Nirgendwo. „Da waren nur diese fünf Zelte. Du hast die Wölfe heulen gehört, aber sonst war da gar nichts.“

 

Als Christian seine Jurte wieder betrat, stöhnte er auf. „Da drin herrschten gefühlte plus 40 Grad.“ Er konnte nicht schlafen, schwitzte wie ein Schwein. Draußen schien es 60 Grad kälter zu sein. Er hielt es nicht mehr aus und öffnete die Tür. „Ich saß in Unterhose da und habe erst wieder zugemacht, als die Temperatur halbwegs erträglich war. Endlich konnte ich einpennen.“ 

60 Grad kälter

Später in der Nacht schreckte er hoch. „Ich lag da halbnackt unter meiner dünnen Decke und fror wie ein Schneider.“ Der Ofen war ausgegangen, worauf sich die mollige Jurte in kürzester Zeit zur Tiefkühlkammer verwandelte. Kohle zum Nachheizen gab es nicht. Obwohl Christians hastig sämtliche Klamotten überzog, die er dabei hatte und sich in mehrere Decken einmummelte, schlotterte er weiter am ganzen Leib. Die Erlösung kam gegen 6 Uhr morgens. Das Familienoberhaupt betrat die Jurte und schmiss den Ofen wieder an. Eine Stunde später war die Temperatur wieder normal. „Dann kam auch die Sonne raus und es ging wieder.“

 

Zum Frühstück gab es Teigtaschen, gefüllt mit den Resten des tags zuvor gekochten Yakkopfs. Christian zog es vor, das Fleisch herauszupulen und nur den Teigmantel zu essen. Als er mittags wieder abgeholt wurde, lag freundlicherweise etwas Proviant für die Fahrt bereit. Christian verzichte – es war Yakfleisch. Er stieg ins warme Auto und bekam die Quittung für die nächtliche Unterkühlung. „Mein Kopf glühte, ich zitterte und schwitzte.“ Zurück in Ulaanbaatar, schlief er im Gästehaus fast anderthalb Tage durch.

 Drei Tage im Bett

Zwischendurch wachte er einmal auf, verließ kurz sein Zimmer, um sich zwei Tüten voller Burger zu besorgen. Kaum hatte er den ersten verschlungen, fielen ihm schon wieder die Augen zu. Insgesamt verbrachte er drei Tage im Bett. „Wenn es in den sechs Monaten einen Moment gab, wo ich dachte, ich breche das ab und fliege nach Hause, dann war es da.“

 

Doch der Lippstädter behielt die Nerven und flog, obwohl noch immer schwer angeschlagen, über Seoul nach Japan weiter. Sein erstes Ziel war hier jene geschichtsträchtige Stadt, in der man heute zwar in Kneipen, aber nicht draußen rauchen darf: Hiroshima. Weitere High- und Lowlights von Christians Weltreise, die ihn auch nach Lateinamerika, Australien, Neuseeland, Nordamerika und am Ende gar zu einem neuen Job führte, folgen im nächsten Blicker.