„Nur für Erwachsene“: Lippstädter Kinoschund

Im Aufbruchsjahr 1968 gab's im Nordstern "Sünde mit Rabatt".

Nacktheit war 1970 auf den Leinwänden gang und gäbe.

Das war 1974: nachmittags King Kong, abends die Sexklamotte.

Im Aufbruchsjahr 1968 gab's im Nordstern "Sünde mit Rabatt".

Nacktheit war 1970 auf den Leinwänden gang und gäbe.

Das war 1974: nachmittags King Kong, abends die Sexklamotte.

Von Christoph Motog

Lippstadt - Wirklich anzügliche Kinofilmen werden in Lippstadt erst ab Mitte der 1960er-Jahre gezeigt, zunächst im Apollo in der Kahlenstraße. Da läuft Ende März 1966 „Liebe wie die Frau sie wünscht“. Die Kinowerbung im Patriot will nicht zu viel verraten: „Liebe wie die Frau sie wünscht? Das erfahren sie in der Spätvorstellung.“ Nun ja: Der Film ist kein Porno, noch nicht mal ein Softporno. Er ist auch nicht neu, sondern ein alter Schinken aus dem Jahr 1957. Immerhin: Es geht um einen Sexualwissenschaftler namens Professor Liberius, der es sich zum Ziel gemacht hat, unglücklichen Ehen in puncto körperlicher Erfüllung auf die Sprünge zu helfen.

 

Vier Wochen später läuft im benachbarten Gloria in der Spätvorstellung „Frauen die uns nachts begegnen“ – Untertitel: „Dieser Film vertritt mit ganzem Herzen die Moral.“ Er ist ab 18 Jahre. Die Handlung ist schnell erzählt: Ein Provinzmädchen zieht in die Großstadt – und sie wird prompt in Versuchung geführt, üble Kerle wollen sie fürs Stundenhotel abrichten, doch sie wird grade noch rechtzeitig gerettet.

Sünde mit Rabatt

Bald darauf schreckt auch das Südtheater nicht mehr vorm Thema Nr. 1 zurück: „Sex x Sex“ läuft dort im Oktober 1966. Die Handlung lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Ein Junggeselle erlebt den Sex von Paris. Die Zeitschrift Filmdienst lässt kein gutes Haar an dem Film: „Mit einem blödelnden Kommentar verbundene Abfolge von Stripteasenummern verschiedener Nachtlokale.“

 

Im Aufbruchsjahr 1968 etabliert sich Filmsex in Lippstadt zu etwas Alltäglichem. Anfang April gibt es im Nordstern „Sünde mit Rabatt“, während sich im Südtheater „Unruhige Töchter“ breit machen (Untertitel: „Zwischen Schulbank und Erotik“). Das vom Lexikon des Internationalen Films gefällt Urteil fällt harsch aus: „Schmierige Zuhälter, verbitterte Polizisten und lüsterne Kleinbürger in einem unbeholfen inszenierten Sexkrimi, dessen Visionen vom Nachtleben eher provinziell geraten sind.“ 

 

Fortan laufen in Lippstadt immer mehr Filme, für die noch heute „Nur für Erwachsene“ gilt. Ende April 1970 gibt es im Südtheater den „Zauberstab zur Selbstmassage“, in der Spätvorstellung folgt „Löckchen – ein nackter Spatz in fremden Federn“. Im Nordstern läuft derweil „Charlys Tante nackt“, der indes nichts mit der honorigen Peter-Alexander-Komödie „Charlys Tante“ gemein hat. „Charlys Tante nackt“ ist „so jung, so frisch und knusprig“. Pfingstsonntag 1970 treibt im Südtheater „Gräfin Porno von Ekstasien“ ihr Unwesen. Pfingstmontag gönnt man „Jedem Pferdchen seinen Reiter“.

Todesgrüße und Sex

Um die volle Härte filmischer Fleischeslust zu rekapitulieren, springen wir ins Folgejahrzehnt. 1981 fällt bei der Programmgestaltung des Südtheaters etwas auf: Im wöchentlichen Wechsel laufen Action-Filme und Pornos – also eine Woche hüh und eine Woche hot. Heißt: Auf sieben Tagen „Todesgrüße aus Shanghai“ mit Bruce Lee folgen sieben Tage „Big Sex“. Der Rache-Thriller „Mad Angels“ wird abgelöst von „Sizzle – American Blue“ mit Samantha Fox. Wie so oft fällt die Begleitinfo auch hier überaus marktschreierisch aus: „Fünf Wochen musste die Hauptdarstellerin täglich mit sieben Männern gleichzeitig üben, um eine Superszene perfekt zu beherrschen.“

 

Der letzte Nicht-Porno im Südtheater läuft im Hochsommer 1981, und zwar der Actionreißer „Speed Cross – zwei geben Vollgas“. Ab 31. Juli ist das Südtheater ein reines Pornokino – für elf Jahre. Los geht es mit „Die Aufreißer“ – ein Beate-Uhse-Film „mit Ausweispflicht“. Am 7. August folgen „Heiße Nächte auf Jamaika“. Den Zuschauer erwartet lautet Filmdienst eine unlogische Kriminalhandlung, die „durch öde Sexszenen und das übliche Lustgestöhne auf abendfüllende Länge gestreckt“ wird. Nun ist kein Halten mehr: Am 28. August kommt „Julia“ von Beate Uhse ins Südtheater. Der Untertitel täuscht Redlichkeit vor, will aber nichts anderes als die Publikumsmünder wässrig machen: „Wir garantieren ihnen dass sie alles freiwillig macht und dass alle Szenen echt, authentisch und nicht gedoubelt sind.“

Behext und verloren

Ab 11. September läuft das „Taxi Mädchen“, Untertitel: „Dieser Film ist nach Beschlagnahme wieder im Einsatz.“ Am 18. September erscheint im Südtheater „Die Superhexe der Liebesinsel“, Untertitel: „Wen sie behext, der ist verloren“. Ab 25. September folgt „Ich schreie, ich genieße“, Untertitel: „Sechs rassige Damen und zwei einzigartige Herren in einem spitzen Film. „Denn sie weiß nicht, was sie tut“ mit der Hauptdarstellerin aus „Ein süßes Früchtchen“, läuft Anfang November. Am 18. Dezember legen „Sechs Schwedinnen auf Ibiza“ los. Aus der Inhaltsbeschreibung: „Am Ende kommen die Schwedinnen um einige Männerbekanntschaften reicher, braun, gesund, glücklich und beglückt wieder ans Festland.“

 

Mitte März 1982 läuft ein Beate-Uhse-Streifen („Schockierend!“), der laut Werbung „zum ersten Mal“ die „allergeheimsten Sehnsüchte der Frauen“ enthüllt. Also: „Lassen Sie sich in Catherines erotische Traumwelt entführen! So etwas haben Sie noch nie gesehen!“ Im Anschluss heißt es „Lass laufen Kumpel“, Untertitel: „Nun aber ran mit der Brechstange Jungs.“ Nachgelegt wird unterhalb der Weißwurstgürtellinie, und zwar mit „Zwei Däninnen in Lederhosen“. Am 9. April 1982 läuft „Diane – Herrin des Dschungels“, Untertitel: „Sie fand ihre Erfüllung bei den Wilden.“ Bei der abenteuerlustigen Diane handelt es sich indes um keinen Hardcore-Movie, sondern um einen maßvoll lasziven Abenteuerfilm, der wegen der strengen Karfreitagsvorschriften an Pornos statt gezeigt wird. Osterdienstag gibt es wieder einen echten Porno: „Kalte Liebe im heißen Sand“. Ab 23. April 1982 ist „Sexvergnügen“ angesagt, Untertitel: „Swinger unter sich! Man lernt sich kennen – und hoppla, schon geht’s los …“

"Wir raten ab"

Ab 10. Juni läuft „Nero und die Huren des römischen Reiches“. Die pädagogische Empfehlung der Kritiker vom Filmdienst lautet „Wir raten ab“. Auf diese Weise geht es im Südtheater noch zehn Jahre weiter. Aus heutiger Sicht sind die Pornotitel jener Zeit einander vielfach zum Verwechseln ähnlich – und nicht selten zum Fremdschämen.

 

Die Geschichte des Filmtheaters mit dem roten Vorhang klingt im Juni 1992 mit „Harry Sex Gun“ aus. Grund: Die mittlerweile allgegenwärtigen Videotheken haben den Pornokinos das Geschäft ruiniert. Das Südtheater bleibt fortan geschlossen und wird bald darauf abgerissen.

 

Abschließend ist mit einem Klischee aufzuräumen: mit dem des verschämten Pornoguckers, der sich mit tief ins Gesicht gezogener Mütze ins Kino schleicht. Ein Zeitzeuge aus der damaligen Südertor-Nachbarschaft (Name ist der Redaktion bekannt) hat wieder und wieder beobachtet, dass Frauen ihre Ehemänner vorm Südtheater absetzten und dort nach Filmschluss auch abholten. „Besser, er geht hier rein als in den Puff“, mag der Hintergedanke bei manch privatem Fahrdienst gewesen sein.