Antisemitismus in Lippstadt - von 1945 bis heute

Von Christoph Motog

 

Lippstadt - Überschaubar fiel in den sozialen Medien die Zahl der Solidaritätsbekundungen mit Israel aus, nachdem die Hamas am 7. Oktober mehr als 1400 Menschen ermordet hatte. Nicht wenige Reaktionen gingen in eine ganz andere Richtung. Keine 24 Stunden nach den Massakern, das Blut der Opfer war noch nicht getrocknet, postete ein Lippstädter bei Facebook eine „Free Palestine“-Bekundung. Schon nach kurzer Zeit waren unter dem Eintrag fast zehn „Gefällt mir“-Angaben zu sehen. Über die Opfer fiel kein Wort. Seitdem ist viel passiert in Deutschland. Es ist eine massive Zunahme an antisemitischen Demonstrationen, Vorfällen und Bedrohungen zu verzeichnen. Jüdische Deutsche – ganz gleich, wie sie zum Staat Israel und seiner Politik stehen – werden bedroht. Sie haben Angst davor, als Juden erkannt und attackiert zu werden.

 

Dass nicht nur israelische Staatsbürger, sondern Juden jeglicher Nationalität bedroht werden, kommt nicht überraschend: Den Staat Israel zu zerstören, ist nicht das einzige Ziel der Hamas. In der Satzung der Terrororganisation ist der Hass auf Juden festgeschrieben: es wird zur Vernichtung aller Juden aufgerufen, ganz egal wo sie leben. Es handelt sich um eine Form von Antisemitismus, die auf einen Völkermord abzielt. In dieser Hinsicht verfolgt die Hamas dieselben Absichten wie die Nazis vor 80 Jahren.

 

Den Staat Israel gäbe es ohne den Holocaust nicht. Aber auch der Antisemitismus der Hamas wurzelt in einem nicht geringen Maße in Deutschland, haben die Nazis doch seinerzeit in der arabischen Welt massiv und effektiv gegen Juden gehetzt, unter anderem mit einem viel gehörten Radiosender. Und heute? Antisemitismus gibt es im Nachkriegsdeutschland nicht erst seit der Einwanderung von Millionen Muslimen. Er war immer da, auch in Lippstadt. 1955 verteidigte der Lippstädter Klaus Petri in einer Studentenzeitung die Einrichtung der NS-Konzentrationslager: „Ich akzeptiere die national-sozialistischen Maßnahmen, weil sie dem heißen Wunsch der damaligen Führung entsprangen, des deutschen Volkes Einigkeit und Recht und Freiheit zurückzugewinnen …“ Klaus Petri, später ein bekannter Anwalt, hat sich Zeit seines Lebens nie von diesen Äußerungen distanziert. Dass auch der Lippstädter Pastor Martin Niemöller, der als Kämpfer gegen die Judenverfolgung gilt, Zeit seines Lebens antisemitische Positionen vertrat, ist seit Langem bekannt. Viele haben das aber lange Zeit heruntergespielt. In einer aktuellen, 2019 erschienenen Niemöller-Biografie listet der Autor Benjamin Ziemann zahlreiche antisemitische Entgleisungen der angeblichen Lichtgestalt in den Jahren zwischen 1945 und seinem Tod 1984 auf.

 

Und heute? Ein rechtsextremer Lippstädter Online-Buchhändler verkauft seit 2009 antisemitische Hetzschriften aus der Nazizeit, so etwa das vor einigen Jahren für 1780 Euro angebotene Buch „Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud auf seinen Eid“. Und ein nichtarabischer Lippstädter Muslim sagte mir vergangenes Jahr ins Gesicht: „Der Holocaust war ein Kleinschiss gegen das, was die Juden in Palästina machen.“