Ein Glück, dass er lebte: Uli Kremser

Uli Kremser starb Ende Oktober 2021 im Alter von 56 Jahren.

Der Lilu-Eingangsbereich in einem Hinterhof der Lippstädter Hospitalstraße. Foto: Motog

Das war 2012: Uli Kremser in seinem kombinierten Wohn- und Bühnenzimmer. Archivfoto: Krumat

Ende 2013 streifte Uli durch Lippstadt, fotografierte alte Kaugummi-Automaten und schlug der Blicker-Redaktion vor, aus seinen Bildern ein Quiz zu erstellen. Was wir auch taten. Es war uns eine Ehre.

Uli Kremser starb Ende Oktober 2021 im Alter von 56 Jahren.

Der Lilu-Eingangsbereich in einem Hinterhof der Lippstädter Hospitalstraße. Foto: Motog

Das war 2012: Uli Kremser in seinem kombinierten Wohn- und Bühnenzimmer. Archivfoto: Krumat

Ende 2013 streifte Uli durch Lippstadt, fotografierte alte Kaugummi-Automaten und schlug der Blicker-Redaktion vor, aus seinen Bildern ein Quiz zu erstellen. Was wir auch taten. Es war uns eine Ehre.

Von Christoph Motog   Lippstadt - Sein Herzprojekt tauchte 2012 mal in einem Blicker-Rätsel auf: „Wofür steht das Kürzel Lilu?“ Richtige Antwort: Lippstädter Lustspielhaus. Die Reaktion des Betreibers des gefragten Kulturzentrums ließ nicht lange auf sich warten: „ Hey Christoph ... da habe ich mich aber sehr gefreut, Teil eines Kreuzworträtsels zu sein ;)))“

 

Uli Kremser hieß der Mann, der im Zuge seiner subkulturellen Aktivitäten häufiger im Blicker auftauchte. Zuletzt hörte ich am 1. Mai dieses Jahres von ihm: „Es war ein super schöner Familientag heute“, schrieb er mir da spätabends in einer persönlichen Nachricht: „mit bestem Essen vom Grill und einem Gin Tonic mit megagutem Gin. Ich hatte Hühnchen mariniert, Kräuterbutter für Brötchen, die wir samt Baguette gebacken haben, und Feta zum Grillen vorbereitetet – und es gab Riesengarnelen und Käsekrakauer … alles sehr gelungen und voll lecker und supernette Gespräche und nur ein paar Tränen mit den besten Kindern der Welt.“ Die von ihm angesprochenen Tränen hatten einen ernsten Hintergrund: Uli war vier Tage zuvor aus dem Krankenhaus entlassen worden, nachdem er dem Tod drei Wochen zuvor gerade noch von der Schippe springen konnte.

Leider war es der letzte 1. Mai, den Uli Kremser, der schon seit Jahren schwer krank war, mit seinen Lieben feiern konnte. Ende Oktober ist er im Alter von 56 Jahren gestorben. „Wie viele Menschen waren glücklich, dass du gelebt?“, heißt ein Lied von Hildegard Knef. Die Antwort liegt in seinem Fall auf der Hand. Uli Kremser hatte – im Zuge seines empathischen Wesens, im Zuge seiner ansteckenden Begeisterungsfähigkeit – die Gabe, auf analogem Wege Gleichgesinnte zusammenzubringen und zu vernetzen. So gibt es heute im Raum Lippstadt-Oelde eine Menge Leute, die sich ohne ihn nie kennengelernt hätten. Er war höchst unkonventionell, fand mit seiner authentischen, entwaffnenden Freundlichkeit („Tach, ich bin Uli“) aber meist auch einen Draht zu eher bürgerlich orientierten Leuten.

  

„Uli war immer voller Ideen und Pläne“, sagte sein enger Vertrauter Frank Handke Anfang November bei der im Lilu anberaumten Abschiedsfeier im Kreis von Angehörigen, Freunden und Weggefährten: „Uli hat eine Baufirma geleitet, Festivals veranstaltet, eine Kneipe geführt und nicht zuletzt ein kleines illegales Theater in Lippstadt aufgebaut.“ Neben Schauspielabenden veranstaltete er im Lilu auch Konzerte, Jam-Sessions, Lesungen, Poetry Slams, Quiz-Abende, Krimi-Dinner oder einen Singende-Säge-Anfängerkurs.

 

Wohnzimmer als Bühne

 

Der aus Wadersloh zugezogene Uli Kremser hatte sich in Lippstadt zunächst an der Lipperoder Straße engagiert. 2008 übernahm er dort von Barbara Epping und Wolfgang Döring das „Wohnzimmer“, eine massiv von den üblichen gastronomischen Normen abweichende Kneipe. Hier sah es aus und ging es zu wie in einer improvisierten Berlin-Mitte-Bar der frühen 90er-Jahre. Hier trafen Kapuzenpulli-Schüler auf dreimal so alte Cordhosen-Schachspieler. Hier gab es Partys, Gigs, Ausstellungen und Flohmärkt. Uli setzte das Konzept fort und machte das Wohnzimmer zum Zuhause des Vereins Kunstdünger, der sich kulturellen Aktivitäten verschrieben hatte.

 

2010 folgte der Umzug in den Hinterhof der Hospitalstraße 8. In den Räumen der früheren Galerie Orrù richtete Uli mit dem Lippstädter Lustspielhaus ein alternatives Kulturzentrum her. Mit seinen kuscheligen Sofaecken und Vintage-Teppichen gab das Lilu ein ähnliches Bild ab wie zuvor die Wohnzimmer-Kneipe. Die Zuschreibung „Wohnzimmer“ passte nun allerdings noch besser als an der Lipperoder Straße. Denn Uli wohnte tatsächlich im Lilu – fortan lud er somit Leute zu sich nach Hause ein.

 

In den ersten Lilu-Jahren reihte sich ein subkulturelles Highlight ans andere. Mein Kollege Andreas Balzer erinnerte kürzlich im Patriot an das wuchtige Konzert der AC/DC-Adepten 77 aus Barcelona oder an die im schönsten Wortsinn hemmungslose Ausstellung „erotiquett“ der Künstlerin Blakart. Nach einiger Zeit fanden im Lilu allerdings immer weniger Veranstaltungen statt, später gar keine mehr. Es gab zu viel Ärger mit Nachbarn und Behörden. Gleichwohl blieb das Lilu ein kultureller Treffpunkt, wo sich auf Ulis persönliche Einladung hin Leute zum Kochen, Musiker zum Unplugged-Jammen oder Theaterspieler zum Proben trafen.

 

Lilu-Verein gegründet

 

Anfang 2021 kündigte Uli seinen Auszug aus der Hospitalstraße an. Er wünschte sich aber, dass es weitergeht und leitete die Gründung eines Lilu-Vereins in die Wege. Da wollte er nach wie vor mitmischen, aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit allerdings nicht mehr in leitender Position. Es besteht Grund zur Zuversicht: Einiges, was Uli angestoßen hat, wird nach seinem Tod weiterleben.

 

Uli Kremser hatte eine aufgeschlossene Weltsicht. Er war einer der wenigen Computernutzer, die auf Windows und Apple pfiffen und lieber auf Linux setzten. Er war in unterschiedlichen Bereichen kreativ, spielte Bass, machte Filme, schweißte Metallskulpturen zusammen. Ende 2013 tat Uli sich als kreativer Blicker-Mitarbeiter hervor: Er war durch Lippstadt gestreift und hatte alte Kaugummiautomaten fotografiert. Daraufhin schickte er der Redaktion neun Fotos und schlug vor, daraus ein Quiz zu machen. Aufgabe war, jedem Automatenfoto seinen korrekten Standort zuzuordnen. Das schafften zwar nicht viele, aber Ulis Quiz machte mächtig Spaß.