Von Christoph Motog
Lippstadt - Da war es schon zu spät, das Häuschen stand bereits an Unort und Unstelle: Von einer „unglücklichen Wahl“ sprach Obrigheims Bürgermeister im Sommer 2017 – es sei trotz intensiver Suche kein anderer Standort für die neue Trafostation in Frage gekommen, entschuldigte sich der Mann. Seine Verwaltung war davon ausgegangen, das Bauvorhaben sei nicht genehmigungspflichtig, weil es der öffentlichen Versorgung dient. Dumm nur, dass niemand nach links und rechts geschaut hatte. Die 80.000 Euro teure Netzstation war von lauter historischen Gebäuden umgeben. Daher schritt die Kreisverwaltung im rheinland-pfälzischen Bad Dürkheim ein und befand: Aus Gründen des Denkmalschutzes muss das Häuschen wieder weg.
Auch im westfälischen Lippstadt ist jetzt ein neues, knapp fünf mal drei Meter großes Trafohäuschen errichtet worden, und zwar an der August-Kleine-Straße – auf halbem Wege zwischen zwei Baudenkmälern, dem Metzgeramtshaus und der Alten Börse. Lippstadts Kommunalpolitiker stimmten vor einem Jahr der entsprechenden Beschlussvorlage der Verwaltung mit breiter Mehrheit zu. Vor der Abstimmung wurde zwar ausgiebig diskutiert, doch dabei ging es vor allem um den Wegfall mehrerer Parkplätze und um das Fällen einiger Bäume zwischen August-Kleine-Straße und der Dunklen Halle.
Beeinträchtigungen des historischen Stadtbilds befürchtete seinerzeit offenbar niemand. Die Aussagen der Beschlussvorlage wurden nicht in Frage gestellt. Die Verwaltung hatte geschrieben, der Entwurf zeige eine klare und aufgeräumte Struktur, er führe zu einer deutlich gestalterischen und ökologischen Aufwertung des Bereiches. Hält die damalige, durchweg positive Einschätzung der Realität stand, nachdem das Projekt Anfang April vollendet wurde? Zweifel sind angebracht. Die neue Trafostation mit seiner Container-Ästhetik mutet wie ein architektonischer Fremdkörper an, der die Sichtachsen zwischen den Baudenkmälern beeinträchtigt, und zwar sowohl von der Fleischhauerstraße in Richtung Metzgeramtshaus als auch – umgekehrt – vom Amtshaus zur Alten Börse und den Nachbarhäusern. In diesem Zusammenhang sei die Lippstädter Gestaltungsatzung erwähnt, die dem Schutz des historischen Stadtbilds in der City dient. Das für alle Hausbesitzer und Geschäftsleute gültige Regelwerk greift bereits bei kleinsten Schildern. Im Falle des klotzartigen Trafohäuschens geht es um völlig andere Dimensionen, doch hier scheint niemand eine ästhetische Beeinträchtigung zu befürchten. Erinnert sei auch daran, dass Lippstadt als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Historischer Stadtkerne in NRW sich auferlegt hat, „sein kulturelles Erbe sorgsam zu erhalten und behutsam zu entwickeln“.
Immerhin ist eine Begrünen der neuen Trafostation geplant. Allerdings dürfte das nicht für die Süd- und Westseite gelten: Die dort befindlichen Türen werden aller Erfahrung nach Sprayer anziehen, wie es schon bei der kürzlich abgerissenen Vorgängerstation aus dem Jahr 1958 der Fall war, die sich (als vergleichsweise unauffälliger Anbau) an der Westseite des Metzgeramtshauses befand.
Auch wenn das Kind längst in den Brunnen gefallen ist, muss die Frage aufgeworfen werden: War der Standort alternativlos? Hätte die Station nicht etwa auch nördlich des Spielplatzes, neben dem Toilettenhäuschen, platziert werden können? Ein Wunsch für die Zukunft sei jedenfalls gestattet: Das historische Stadtbild muss auch beim Planen unerlässlicher Versorgungseinrichtungen angemessen berücksichtigt werden.