Von Christoph Motog
Kreis Soest - 2021 fällt flach: Mit dem Glastonbury hat eines der weltweit größten Open-Air-Musikfestivals im Januar frühzeitig die Reißleine gezogen. Ende Juni sollten in Südengland unter anderem Taylor Swift und Paul McCartney auftreten, 200.000 Zuschauer wurden erwartet. Doch angesichts der anhaltenden Pandemie wollen die Veranstalter kein Risiko eingehen; sie folgten mit ihrem Schritt offenbar den Einschätzungen von Virologen, die wenig Hoffnung haben, dass die Wiederaufnahme von Großveranstaltungen in den kommenden Monaten möglich ist. Grund: In gewohnter Form aufgezogene Festivals gelten – obwohl fast alle draußen stattfinden – als potenzielle Superspreader-Events, weil dort viele Leute auf engem Raum aufeinandertreffen – man denke nur ans übliche Gedränge vor der Bühne oder an Kollektivrituale wie das Crowdsurfing.
Die Impfung werde uns die frühere Freiheit nicht schon im Sommer zurückgeben, glaubt der Schweizer Infektiologe Andreas Cerny. Er bezweifelt, dass bis dahin eine ausreichende Durchimpfung der Bevölkerung zu erreichen ist. Die Skepsis ist umso mehr angebracht angesichts des schleppenden Beginns der Impfkampagne in Deutschland und den absehbaren Schwierigkeiten, genügend Impfstoff von den Herstellern zu bekommen. Hinzu kommen unbekannte Faktoren. So ist noch unklar, wie lange eine Impfung wirklich schützt und inwieweit sie auch Übertragungen verhindert.
Ernüchterndes Fazit: Ohne Maske und Abstand wird auch im Sommer 2021 wenig gehen. Droht nach dem Glastonbury-Aus eine Kettenreaktion? Auch die Veranstalter kleinerer Spektakel machen sich ihre Gedanken. Der für den 5. Juni angesetzt gewesene „Hammer Summer“ wurde bereits abgesagt. „Wir müssen weiter Vorsicht walten lassen, um die Pandemie in den Griff zu kriegen“, heißt es unter „hammer-summer.info“. Seit 2002 waren auf dem Hammer Marktplatz so namhafte Acts wie Lena, MIA., The Bosshoss, Glasperlenspiel, The Hooters oder 2Raumwohnung aufgetreten. Randnotiz: Vor neun Jahren waren The Coronas im Line-up.
Andernorts setzt man auf eine Verschiebung vom Früh- in den Spätsommer. So wurde das für gewöhnlich im Mai steigende Beverunger Rock- und Songwriter-Festival Orange Blossom frühzeitig auf Ende August verschoben.
Die Zeit drängt. Die Sommer-Festivals benötigen alsbald Planungssicherheit. Die politischen Entscheider und Behörden sollten in den kommenden Wochen zumindest im Groben beschließen, welche Regeln im Sommer gelten. Spätestens zu Beginn des Frühjahres müssen sich die Organisatoren erfahrungsgemäß an die Arbeit und Detailplanung machen, um ihre Events erfolgreich durchführen zu können. Einer der größten deutschen Veranstalter, Fred Handwerker („Handwerker Promotion“) hat die ganz großen Spektakel bereits abgeschrieben, er hält Veranstaltungen mit 50.000 Zuschauern in diesem Jahr für unrealistisch.
Die Frage ist, ob kleinere Events größere Chancen haben. Zum „Getoese in Moese“ in Mastholte pilgern alle zwei Jahre rund 1.100 Besucher. Festivalmacher Michael Langewender zeigte sich im Gespräch mit dem Blicker verhalten optimistisch, dass das im vergangenen Jahr gecancelte Open Air am 21. August stattfinden kann: „Wir liegen ja mit unserem Termin erst am Ende des Sommers. Außerdem gibt es bei uns kein Camping.“
Eine ähnliche Größenordnung wie das Mastholter „Getoese in Moese“ (GiM) hat das „Folk im Park“ in Walibo. Mit dem 28. August wird auch hier ein Spätsommertermin anvisiert. Ob das früh genug ist, wird sich zeigen.
Die überwältigende Mehrheit der Veranstalter in der Region hofft noch und schreckt somit davor zurück, frühzeitig hinzuschmeißen. Doch so gut wie alle haben mit einem Folgeproblem der Seuche zu kämpfen: dem schleppenden Ticketverkauf. Viele Festivals wurden 2021 offiziell nicht abgesagt, sondern als verschoben deklariert, so dass die Tickets ihre Gültigkeit behalten. Die einen haben ihre Karten daher längst, während die anderen angesichts der unsicheren Aussichten mit dem Kauf zögern.