Herbstwochen-Chronik (2000 - 2004)

Die seit 1975 zu Groß-Lippstadt vereinten 17 Ortsteile feiern Silberhochzeit.

Mit Blick auf das 75-jährige Jubiläum wünschen sich die Schausteller, dass in ferner Zukunft auch mal die 150., die 280. oder gar die 500. Herbstwoche gefeiert wird.

Für die 2003er-Herbstwoche hat man sich was Neues einfallen lassen: leuchtende Klebe-Tattoos mit dem Schriftzug "Natürlich! Lippstadt" - inklusive dem bunt daherkommenden Leitbild ?Licht - Wasser - Leben?.

Die seit 1975 zu Groß-Lippstadt vereinten 17 Ortsteile feiern Silberhochzeit.

Mit Blick auf das 75-jährige Jubiläum wünschen sich die Schausteller, dass in ferner Zukunft auch mal die 150., die 280. oder gar die 500. Herbstwoche gefeiert wird.

Für die 2003er-Herbstwoche hat man sich was Neues einfallen lassen: leuchtende Klebe-Tattoos mit dem Schriftzug "Natürlich! Lippstadt" - inklusive dem bunt daherkommenden Leitbild ?Licht - Wasser - Leben?.

Von Christoph Motog

 

Lippstadt - Kommt seht und staunt, was Lippstadt zu bieten vermag“: So wird 1926 zur ersten Herbstwoche geladen. Anlässlich der coronabedingten Herbstwochen-Zwangspause in 2020 (es gab nur eine kleine Kirmes namens „Lippstädter Herbstvergnügen“) startete der Blicker eine ausführliche Rückschau auf Geschichte des Volksfests. Die anekdotenreiche Chronik wurde im Oktober 2021, 2022 und 2023 weitergeführt, und zwar bis zur Herbstwoche 1999. Hier folgt nun die vierte Fortsetzung, die bis zur Mitte der 2000er reicht. PS: Eine ausführlichere Fassung dieser Folge der Herbstwochen-Chronik findet sich im Blicker-Epaper der Ausgabe Oktober 2024.

 

„25 Jahre gemeinsam“

 

Die seit 1975 zu Groß-Lippstadt vereinten 17 Ortsteile lassen sich ihre Silberhochzeit an der Marienkirche munden: mit Altem Bräuker aus Walibo, Bökenförder Dionysius-Tropfen, Dedinghauser Fukuhlenwasser, Hellinghäuser Brottrunk oder Lipperoder Drachentöterschnaps. „Wie auf der Expo in Hannover ist das hier“, flachsen manche Besucher des Hüttendorfs – mit dem kleinen Unterschied, dass dort Korea neben Kolumbien haust, während hier Cappel an Dedinghausen grenzt.

 

Eine Million Besucher werden im Milleniums-Oktober erwartet. Der Auftaktsamstag bestätigt die Prognosen: „Mehr Leute hätte die Innenstadt gar nicht fassen können“, staunt Verkehrsvereins-Chef Helfried Stange. Obwohl die Kassen klingeln, lächeln nicht alle unbeschwert. Nach zehn Jahren Pause gibt es wieder einen Festzug, der es zum bis heute größten aller Lippstädter Herbstwochen schafft: 50 Wagen, 17 Kapellen und über 1000 Teilnehmer locken 50.000 Schaulustige an.

 

Erstmals nach 1985 lockt in LP wieder eine Boxbude. Das Auftaktwochenende verläuft für Betreiber Johann Lemoine durchwachsen: Gleich drei seiner Kämpfer fallen nach Kiefer-, Nasenbein- und Handbruch aus. 13 Fights gehen verloren – zur Gaudi des Publikums, das genau das sehen will. Für jeden ausgeknockten Profi gibt’s, je nach Gewichtsklasse, 100 oder. 200 Mark. „Wer die gesamte Truppe k.o. schlägt, bekommt 4.000 Mark“, sagt Lemoine – „das hat aber noch keiner geschafft“.

 

„75 Jahre Herbstwoche“

 

Mit Blick auf das 75-jährige Jubiläum wünschte sich Walter Burghard, dass die Schausteller in ferner Zukunft auch mal die 150., die 280. oder gar die 500. Herbstwoche eröffnen können. Bürgermeister Wolfgang Schwade erinnert bei der Eröffnung an die Nachkriegszeit, als Papier und Strom knapp waren – und schon mal ein Stromzähler kurzgeschlossen wurde, um doch das Festprogramm drucken zu können. Der Eisbär, der in den Frühzeiten des Volksfestes als Maskottchen herhielt, wird reaktiviert und verteilt zur Eröffnung 250 Lebkuchenherzen. Der Mann im Pelz kommt mächtig in Schwitzen, ist es doch fast sommerlich.

 

Eine Ausstellung zur Geschichte der Herbstwoche im Rathaus weckt nostalgische Erinnerungen. „Der Bär damals war nicht so niedlich”, meint eine betagte Besucherin. Lebkuchenherzen und Zuckerwatte waren seinerzeit Mangelware: „Wir kauften Klümpkes für ein paar Pfennig und waren glücklich.“ Ein anderer glaubt sich daran zu erinnern, dass es 1926 nur ein einziges Karussell gab, das von einem Pferd bewegt wurde: „Wenn es einem gelang, während der Fahrt eine am Rand aufgehängte Gabel zu erhaschen, gab‘s eine Freifahrt.“

 

 „Licht, Wasser, Leben“

 

Das 2002er-Volksfest ist dem neuen Lippstädter Leitbild „Licht, Wasser, Leben“ gewidmet. Besonders gut meint man es aber mit dem Partyvolk: Der Verkehrsverein will den Lippebug mit zwei der angesagtesten Eurodance-Bands entern: Rednex und Mr. President. Drei Tage vor Herbstwochenbeginn kommt jedoch die Nachricht, dass die Verhandlungen im Sande verlaufen sind. Folge: Statt Mr. President musiziert Daniel Ligges. Die Verantwortlichen äußern sich „tief enttäuscht“, drehen das Ganz aber schon ein paar Tage später ins Positive: „Gute Musik in den Zelten ist wichtig, aber Super-Bands brauchen wir dafür bei der Herbstwoche nicht. Die holen wir lieber zum Altstadtfest“, meint der Vorsitzende des Verkehrsvereins.

Am ersten verkaufsoffenen Sonntag werden auffallend viele Besucher aus der Kreisstadt Soest gesichtet. Und nicht nur das: Die Soester lassen in den Lippstädter Läden die Kassen klingeln, sie kleiden sich neu ein. Man munkelt, dass es sich bei den Einkäufen um schicke Outfits für die bevorstehende Allerheiligenkirmes handelt.

Diese Herbstwoche hätte Chancen auf einen neuen Besucherrekord gehabt, wenn Jeanette nicht gekommen wäre: Die ominöse Frau J. ist ein Sturmtief, das am zweiten Herbstwochensonntag über Lippstadt hinwegfegt. Vor allem die Betreiber größerer Fahrgeschäfte wie dem Riesenrad fackeln nicht lange und kapitulieren angesichts von Windstärken jenseits der 9 und starkem Regen. „Petrus hat 'Licht, Wasser, Leben’ wohl falsch verstanden und schickt uns das Wasser von oben“, murrt ein Passant.

 

„Natürlich - Herbstwoche ...“

 

Für die 2003er-Herbstwoche hat man sich was Neues einfallen lassen: leuchtende Klebe-Tattoos mit dem Schriftzug „Natürlich! Lippstadt“ inklusive dem bunt daherkommenden Leitbild „Licht – Wasser – Leben“. 20.000 Stück hat der Verkehrsverein geordert.

 

Nicht in jeder Herbstwoche schafft es ein Karussell zum Stadtgespräch. Diesmal schaffen es gleich zwei. Erstens ist da der an einen Monster-Polypen erinnernde Joker, der sich mit Tempo 150 um die Mittelachse dreht. Zweitens ist da der Slingshot, ein riesiges Katapult. Erst in über 70 Metern Höhe bremsen Seile den raketenhaften Aufstieg. Geradezu schwerelos fällt man in den Sicherheitsbügel und stürzt rin die Tiefe. „Manche sagen, das sei besser als Sex“, erklärt Betreiber Franz Printschier. Er selbst „kann das aber nicht ganz bestätigen“.

 

Die Kirmesleute sind indes nicht mit Rückenwind nach Lippstadt gekommen, ihre Saison war schwierig, die Deutschen sind 2003 nicht in Konsumlaune. Um mehr Leute auf den Rummel zu locken, beschließt man am Vorabend des Volksfests, erstmals den kompletten Mittwoch zur Happy Hour zu erklären – von 14 bis 23 Uhr.

 

„Estland zu Gast“

 

Herbstwochenkenner wissen: Wenn die Klankentappers aus Uden mit kleinen roten Käppchen auf dem Haupt und fröhlicher Blasmusik den Rathausplatz betreten, eröffnet der Bürgermeister gleich die Kirmes. Schausteller-Chef Walter Burghard nutzt die Zeremonie, um eine Lanze für sein Metier zu brechen. „So manch einer rümpft hochmütig die Nase, wenn Kirmes im selben Atemzug mit anderen kulturellen Einrichtungen genannt wird.“ Immerhin reiche die Tradition der Rummelplätze aber bis ins frühe Mittelalter zurück. Sie seien nicht auf Zuschüsse angewiesen und brächten den Kommunen Gebühren und auswärtige Besucher. Am Ende gibt er den Verächtern den Ungnadenstoß: „Die Abstimmung mit den Füßen gewinnen immer die Volksfeste.“

 

Nach sieben Jahre (zuletzt 1997 Österreich) hat die Herbstwoche wieder ein Gastland: Estland. Zu Ehren des aufstrebenden Kleinstaats an der Ostsee werden bei der Eröffnung neben den obligatorischen Lebkuchenherzen auch 1000 Fähnchen in den Landesfarben verteilt. Auf dem Lippe-Bug wird ein estnisches Herbstwochendorf errichtet, wo Handwerker ihre Filz-, Strick- oder Keramikarbeiten anbieten.

 

Zu den unbekannteren Herbstwochen-Highlights gehört die Plattenschau des Lippstädter Köcheclubs. Im Rathaussaal demonstrieren Köche die Kunst des Dekorierens feiner Speisen. Was hier so verführerisch aussieht, wäre im Restaurant allerdings nie so serviert worden. „Da ist überall kein Geschmack dran, das ist nur Schau“, verrät Hans-Dirk Scheer vom Köcheclub. „Es muss nicht schmecken, sondern gut aussehen.“ Und dafür gibt es Tricks: Um auch nach vielen Stunden noch frisch zu glänzen, sind sämtliche ausgestellten Gerichte mit Gelatine präpariert worden.“