Nie wieder Kusmann?

Kusmann hatte die wahrscheinlich sonnenstundenreichste Lippstädter Kneipenterrasse. Foto: Motog

Kusmann hatte die wahrscheinlich sonnenstundenreichste Lippstädter Kneipenterrasse. Foto: Motog

Von Christoph Motog

 

Lippstadt - Den Zechern ging die Kinnlade runter: „Letzter Ausschank nach 135 Jahren – Gaststätte Kusmann schließt.“ Das titelte „Der Patriot“ am 22. Mai 1980. Wie wir heute wissen, setzte sich die Ära der Kneipe an der Ecke Poststraße/Helle Halle doch fort – für weitere 41 Jahre. Am Freitag vor der Herbstwoche, dem 15. Oktober 2021, könnte aber jetzt tatsächlich das letzte Kusmann-Stündchen geschlagen haben. Die Pächterin hat ihren Abschied genommen, und die Suche nach einem Nachfolger ist bislang ergebnislos verlaufen. Es gab zwar mehrere Interessenten, doch alle nahmen Abstand, nachdem sie erfahren hatten, dass die alte Konzession nicht übernommen werden darf. Für den Erhalt einer Neukonzession müsste aber massiv investiert werden, weil zum Erfüllen der aktuellen Vorschriften größere Umbauten nötig wären. Ob sich am Ende noch jemand finden wird, der bereit ist, viel Geld aufzubringen, bleibt abzuwarten.

 

Kusmann genoss in den vergangenen Jahrzehnten den Ruf eines Partytreffs. An der Poststraße 19 fand sich im neuen Jahrtausend eine der letzten Lippstädter Kneipen, wo noch Karneval gefeiert wurde. Wer auf Popschlager und Ballermann-Musik steht, war hier freitags- und samstagsabends passgenau aufgehoben. Kusmann hatte aber noch ein zweites Stammpublikum: spätnachmittags sowie samstagmittags auf der Terrasse. Dank eines Standortvorteils: Die günstig gelegene Schnittfläche von Poststraße und August-Kleine-Straße bietet wesentlich mehr Sonnenstunden als die meisten anderen Lippstädter Kneipen, deren Terrassen häufiger im Schatten liegen.

 

Namensgeber der Gaststätte war Franz Kusmann, ein Bäckermeister und Bierbrauer in Personalunion. Der gebürtige Westernkötter erwarb das Haus am 14. Dezember 1844 inklusive sämtlicher Brauereigerätschaften, war hier doch schon vorher ein Gasthaus mit Eigenbräu ansässig gewesen.

 

Anekdoten haben sich in der fast 177-jährigen Kusmann-Ära zuhauf angesammelt. Eine Gruppe älterer Kneipengänger erinnert sich noch daran, wie man hier im Juli 1965 nach dem Motto „Abwarten und Bier trinken“ dem Hochwasser entgegensah, um Stunden später nassen Fußes nach Hause zu platschen. -Christoph Motog