Herbstwochen-Nostalgie

Die Organisatoren haben sich im Laufe der Jahrzehnte eine Menge einfallen lassen, um der Herbstwoche immer wieder neue Impulse zu geben. Gleichwohl ist klar: Den meisten Besuchern geht es ausschließlich ums Feiern.

Die Organisatoren haben sich im Laufe der Jahrzehnte eine Menge einfallen lassen, um der Herbstwoche immer wieder neue Impulse zu geben. Gleichwohl ist klar: Den meisten Besuchern geht es ausschließlich ums Feiern.

Von Christoph Motog

 

Lippstadt - „Kommt seht und staunt, was Lippstadt zu bieten vermag“: So wird 1926 zur ersten Herbstwoche geladen. Das Volksfest beschränkt sich anfangs auf vier Tage. Bis Anfang der 1930er Jahre gibt es mit dem Kuhmarkt nur einen einzigen Rummelplatz, dort lockten Todesbahn, Mechanisches Bergwerk oder Weltstädtischer Vergnügungspalast („mit der Rutschbahn und den rollenden Tonnen“).

 

Anlässlich der coronabedingten Herbstwochen-Zwangspause in 2020 (es gab nur eine kleine Kirmes namens „Lippstädter Herbstvergnügen“) hat der Blicker vor zwölf Monaten eine ausführliche Rückschau auf die ersten Jahrzehnte des Volksfests gehalten. Im aktuellen Oktober-Blicker findet sich die erste Fortsetzung, die bis 1987 reicht. Aus besagter Chronik greifen wir hier einen der Volksfest-Jahrgänge heraus: 1970.

 

1970 – 38. Herbstwoche:

 

Das Geleitwort reißt Dr. Anton Hans Meyer nicht vom Chefredakteurshocker: „,Willkommen in Lippstadt‘ – zugegeben, eine auf Anhieb nicht gerade originell scheinende Inschrift auf leicht verblaßtem Schild mit der Einladung zur Einkehr. Sicher erscheint das zunächst ein wenig glanzlos nach den faszinierenden Motti der beiden voraufgegangenen Herbstwochen, die, da sie Frankreich und England in Lippstadt zu Gast sahen, einiges von dem attraktiven Hauch des Ausgriffs in die Ferne, den Lockruf des Internationalen besaßen.“ Doch was in Stadtgründer Bernhards Namen soll dann das nüchterne Motto? Lippstadt will 1970 seine Geschichte und seine Zukunft feiern. Tja. Vielen Volksfestgästen dürfte das Leitwort allerdings piepe sein. Die Herbstwoche ist für sie ein Anlass, zünftig einen draufzumachen. Zum Beispiel im großen Bayernzelt am Tivoli, „für Stimmung sorgt dort eine bayerische Trachtenkapelle“. Dazu gibt’s Raubkatzen-Bräu vom Fass.

 

Unweit des Bayernzelts geht es progressiver zu. Auf der Tivoli-Insel (auch unterm Namen „Liebesinsel“ bekannt und geschätzt) stellen die drei Cartoon-Betreiber und zwei Modehändler etwas völlig Neues auf die Beine: Erstmalig wird ein „Zelt der Jugend“ aufgebaut. Verpflichtet werden zehn Pop- und Rockbands aus Holland, darunter die schwer angesagten Golden Earring. Gespielt wird an allen neun Herbstwochentagen bis spätabends. In den Pausen verwandelt sich die Bühne zum Laufsteg – mit Modenschauen von Axels Men-Shop und der Boutique Hüsken 2000. Wer es schlüpfriger mag, geht ins Gloria. „Nur während der Herbstwoche“, so die Werbung, läuft dort die „frech-frivole Liebesjagd durch turbulente Abenteuer“. Name des Streifens: „Frau Wirtin treibt es jetzt noch toller.“ 

 

Alle Jahre wieder wird nach dem ersten Herbstwochensonntag ein neuer Besucherrekord gemeldet. Auch diesmal. Auf der völlig überfüllten Langen Straße geht es nur in Trippelschritten voran. „Ein Kaufhaus hatte eine Beatband engagiert, vor der sich immer wieder Trauben vornehmlich junger Musikfans bildeten. Sie waren begeistert: Guter Beat, und dazu noch kostenlos.“

 

Kinder in Panzern

 

Am zweiten Festsonntag laden die Briten in die Churchill Barracks. Für Kinder gibt es Panzerrundfahrten durch die Kaserne. Auf besonderes Interesse stoßen eine Rakete vom Typ „Honest John“ und eine ehr- oder unehrwürdige lange Kanone, die angeblich 1855 im Krimkrieg bei Sewastopol eingesetzt wurde. Die Signals (Fernmelder) führen einen Exerzierdrill vor, als Einpeitscher fungiert ein alles zusammenbrüllender Sergent.

 

Die Kirmes bietet ein paar neue Attraktionen, darunter das „größte transportable Riesenrad“ auf dem Postgelände. Dort verspricht auch – „einmalig in Deutschland“ – das Looping-Karussell Passat eine „Fahrt mit dem Astronautenfahrgefühl“. Auch Muskelbegaffern wird was geboten, für sie steht eine Bude namens „Große Sportschau“ parat – „mit berühmten Catchern und Boxern“. Leider macht das schlechte Wetter den Schaustellern während der letzten Festtage einen Strich durch ihre Rechnung. „Der häufige Regen hat natürlich viele auswärtige Besucher abgehalten.“